"Don’t want another dark time think to myself / I won’t get lost inside it all, I’m on my way / well I can see it the darkness covering my mind / well we can hear the voices war inside."
Strahlend ging es Adam Granduciel, dem Frontmann der Indie-Rock-Band The War on Drugs, nicht gerade, als er diese Zeilen schrieb. 2014 war das, Granduciel steckte in einer depressiven Phase. Es war nicht seine erste. Sein ganzes Leben lang habe er mit Depressionen gelebt, aber erst bei der Arbeit zum Album "The Lost Dream" verstanden, was das ist, was ihn quälte, erzählte er damals beim Release.
Kurt Cobain, Demi Lovato, Chris Cornell, Adele, Ed Sheeran, Chester Bennington, Kanye West, Selena Gomez, Ian Curtis. Die Liste berühmter Musiker, die unter psychischen Problemen leiden oder litten, lässt sich schier unendlich fortsetzen. Aber kann es wirklich sein, dass Musiker mehr an den Unwegbarkeiten der Welt zu knapsen haben als die Otto Normals? Seit Jahren beschäftigt diese Frage die Wissenschaft. Eine Antwort wollen Forschende nun tatsächlich in den Genen entdeckt haben.
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Psychische Probleme bei Musikern in Genen verankert
Schon 2019 hatte ein Forscherteam im Rahmen einer Zwillingsstudie mit 10.500 Schweden Hinweise gefunden, dass musikalisch aktive Menschen häufiger an depressiven, Burnout- und Psychosen litten als solche, die keine Musik machen. An einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Musizieren und psychischen Problemen glaubten sie schon damals nicht. "Menschen musizieren nicht als Reaktion auf ihre psychischen Probleme oder umgekehrt", meinte dazu Laura Wesseldijk, Erstautorin der Studie. Zu erklären seien die Ergebnisse wohl vielmehr durch genetische Faktoren und Einflüsse aus dem familiären Umfeld.
Im Rahmen einer sich anschließenden Studie, die jetzt im renommierten Fachblatt "Nature" erschienen ist, konnte die These nun bestätigt werden. Dafür nutzten die Forschenden auch molekulargenetische Methoden und untersuchten die Gene von 5648 schwedischen Zwillingen. Sie stellten fest, dass Menschen, die ein höheres genetisches Risiko für Depressionen und bipolare Störung aufwiesen – unabhängig davon, ob sie auch psychiatrische Symptome aufwiesen oder nicht–, nicht nur häufiger musikalisch aktiv, sondern auch mehr übten und künstlerisch leistungsstärker waren. "Darüber hinaus scheint eine genetisch bedingte Neigung zu allgemeiner Musikalität die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, eine Depressionsdiagnose zu erhalten. Dieser Effekt trat unabhängig davon auf, ob und wie viel die Personen musizierten, was bedeutet, dass das Musizieren diesen Effekt nicht erklären kann", schreiben die Forschenden.
Die Ergebnisse zeigten das Vorhandensein gemeinsamer zugrunde liegender genetischer Einflüsse für musikalisches Engagement und psychische Gesundheit, die zumindest einen Teil der phänotypischen Assoziationen erklären, fassen sie zusammen. Insgesamt zeige die Studie, "dass Menschen, die sich mit Musik beschäftigen, ein höheres genetisches Risiko für Depressionen und bipolare Störungen haben und dass Menschen mit einer Neigung zu allgemeiner Musikalität eher an Depressionen leiden", so das Forscherteam. Einordnend merkten sie allerdings an, "dass wir nicht ausschließen können, dass psychische Gesundheitsprobleme, die unabhängig vom genetischen Risiko sind, das musikalische Engagement kausal beeinflussen oder umgekehrt". Weitere Forschungsarbeiten zum Thema seien notwendig.
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Musik-Business als Treiber für psychische Erkrankungen
Die Suche danach, warum Musikschaffende öfter unter psychischen Erkrankungen leiden, ist komplex. Wie so oft gibt es nicht die eine Antwort. Zum einen gilt es in der Wissenschaft als bewiesen, dass das Musikmachen einen positiven therapeutischen Effekt haben kann. Zum anderen kann das Musizieren aber – auch wenn man die Gene ausklammert – krank machen. Zu diesem Schluss kamen die Briten Sally Anne Gross und George Musgrave, nachdem sie 2016 und 2018 mehr als 2000 britische Musikschaffende zu dem Thema befragt hatten und 68,5 Prozent der Befragten von Depressionen und mehr als 70 Prozent von starken Angstzuständen berichteten.
Sie stellten die Frage nach dem Warum anders. Sie rückten nicht die Gene in den Vordergrund, also eine natürliche Veranlagung, sondern richteten den Fokus auf das Musik-Business. Wie sie herausfanden, kann auch das Arbeitsumfeld der mentalen Gesundheit abträglich sein.
Die Ergebnisse von Gross und Musgrave decken sich in weiten Teilen mit einer Umfrage aus Schweden, welche Record Union unter unabhängigen Musikern durchführte. Bei dieser gaben sogar fast Dreiviertel (73 Prozent) der Befragten an, mit psychischen Problemen zu kämpfen zu haben. Am meisten machte das Musik-Business 18- bis 25-Jährigen zu schaffen. Von diesen sagten acht von zehn aus, dass sich der Job negativ auf ihre mentale Gesundheit auswirke. Sie sprachen unter anderem von Versagensängsten und finanzieller Instabilität, welche sie belasteten.
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Selbsttherapie mit Alkohol und Drogen
Hilfe suchten sich Musiker mit psychischen Beschwerden demnach allerdings verhältnismäßig selten. Gerade einmal 39 Prozent gaben an, sich in Behandlung begeben zu haben. Der weitaus größere Teil (51 Prozent) "therapierte" sich laut eigenen Aussagen selbst – mit Alkohol und Drogen. Janis Joplin, Jimi Hendrix, Amy Winehouse, Sid Vicious, Keith Richards, Anthony Kiedis, Elton John, Pete Doherty. Auch die Liste der Musiker, deren Drogenkonsum bekannt ist, ist lang. Tatsächlich sollen Musiker doppelt so häufig als die durchschnittliche Weltbevölkerung zu Alkohol greifen, dreimal häufiger Heroin und Opium und fast siebenmal mehr Ecstasy konsumieren, wie die Forschungsgesellschaft Music Industry Research Association (MIRA) durch eine Studie unter US-Musikern herausfand.
Quelle: Neuroscience News, Nature, Scientific Report, Can Music Make You Sick, Billboard, MIRA
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